Berlin, June 2021, posted by Claudio Steinmeyer
Mein Beitrag zum Internen L.O.B. (Lacansche Orientierung Berlin) - Treffen / Vorbereitung zum X Pipol Kongress "Ein Kind wollen?"
„Die Familie, kulturell“
Für die
Psychoanalyse ist die Familie vor allem eine kulturelle Konstruktion, eher als
eine Sammlung biologischer, natürlicher Daten.
Werfen wir
einen kurzen Blick auf Freud: Er hat einen schönen Text von 1908 mit dem Titel:
Der Familienroman der Neurotiker.
Man kann in
dem Text spüren, wie es in der Familie um etwas fast Literarisches geht, sie
ist so etwas wie ein Netzwerk von Fantasien, Halberinnerungen, Geheimnissen,
Lücken, oder Lücken die mit falschen Erinnerungen gefüllt sind, usw. Mit
anderen Worten, wir finden alles außer der bloßen objektiven Konstellation
einer Familie aus biologischer oder genetischer Sicht.
Für Freud
baut das Kind mit diesen Zutaten diesen Roman in verschiedenen gestaffelten
Phasen während der Kindheit auf. Eine der Hauptzutaten wird die Tatsache sein
dass, der Vater semper incertus
ist, während die Mutter certissima ist. Es heißt, die Mutter
bleibt eine der wenigen festen, realen Referenzen. So wird langsam das Terrain
der Entfaltung der väterlichen Funktion in Bezug auf die reale Figur des Vaters
befruchtet, was Lacan später mit der Funktion des Namens-des-Vaters aufnehmen
wird.
Der
Familienroman könnte dann ein wenig als die Theorie des Kindes über das grundlegende
Missverständnis zwischen Vater und Mutter, über die Mangel vom sexuellen Verhältnis
zwischen ihnen beschrieben werden.
Daher schätzen wir das Gewicht der Buchstabe in der
psychoanalytischen Konzeption des Familienromans. Was Lacan dann erlaubt zu
sagen, dass Geschichte nicht die Vergangenheit ist.
Lacan wird
diese symbolische, kulturelle Konzeption der Familie fortsetzen.
Bereits in
seinem frühen 1938 erschienenen Text „Familie“ (eine Zusammenarbeit für die
Encyclopédie francaise unter der Regie von Henri Wallon - spanische Fassung:
Axis Verlag, BsAs, 1975) definiert Lacan die Familie durch ihre kulturelle
Struktur jenseits der Biologie.
Natürlich
ist das Soziale in einigen Tierfamilien vorhanden, aber beim Menschen nimmt das
Soziale eine herausragende Form der Kultur (JAM) an.
So definiert
Lacan die Familie als Institution!
Zentral in
dieser Institution ist die Funktion des „Komplexes“, d.h. die unbewusste
Struktur, die die Funktionen, Rollen und Orte jedes Mitglieds bestimmt.
Dies ist die
wahre Funktion der Freudschen Erfindung des Ödipuskomplexes. Es ist keine Frage
einer populären Vorstellung, ein bisschen lustig, dass der Junge in die Mutter
und die kleine Prinzessin in den Vater verliebt ist.
Im
Ödipuskomplex geht es eher um ein doppeltes Verbot, das universell und
transversal für alle Kulturen und Zeiten gültig ist: für den Sohn: Du wirst nicht mit deiner Mutter
schlafen. Und für die Mutter: Du wirst nicht dein Produkt zurückholen.
Die
kulturelle Dimension definiert dann die menschliche Familie. In diesem Rahmen
wir die Adoption gut zeigen, wie die kulturellen Instanzen für die Entstehung
der Familie entscheiden sind.
Lacan hat
bereits in diesem frühen Text die patriarchalischen und matriarchalischen
Formen der Familien unterschieden. Es betont die patriarchalische Funktion in
der westlichen Familie und insbesondere die eheliche Familie seit ihrer
Verbindung mit dem Christentum.
Aber er
erkannte bereits in diesen 30er Jahren den unaufhaltsamen Weg des Niedergangs der
väterlichen Imago: Ein Vater, der immer irgendwie fehlt, abwesend, manchmal
gedemütigt, gespalten oder sogar künstlich ist.
Etwa 40
Jahre später finden wir die ausgezeichnete sogenannte Notiz über das Kind.
Hier hinterfragt
Lacan die Utopien der Gemeinschaften (damals Mode bei den Hippies) und
bekräftigt irgendwie den Wert der ehelichen Familie in allen Gesellschaften.
Er sagt,
dass es in der Familie nicht um die Befriedigung von Bedürfnissen geht, sondern
um die Übertragung von etwas anderes, und zwar die Konstitution einer
Subjektivität, die ein Begehren erfordert, der nicht anonym ist.
Er schätzt
die Rolle des Vaters als Erleichterung der Vermittlung zwischen dem Begehren
der Mutter und das Kind. Somit wird die subjektive Konstitution des Kindes
bevorzugt und so kann es nicht als Objekt des Phantasmas der Mutter genommen
werden.
In diesem
Sinne ist der Vater der Vektor eine Verkörperung des Gesetzes in dem Begehren.
Nachdem dies
gesagt wurde, gehen wir mit Miller zu seiner Präsentation im französischen
Senat (Januar 2013):
„Selbst mit
einem eigenen Kind muss der Elternteil noch ihm auswählen. In diesem Sinne
sagte Lacan, dass wir alle adoptierten Kinder sind. Es sind zutiefst
christliche Worte. Alle Filiationen sind geistlich. Jede Filiation, die
gesetzlich anerkannt wird, basiert sich auf dem Wort.“
Zu beenden:
Zu dieser
Entwicklung der Adoption könnten wir noch eine Idee hinzufügen, nämlich uns zu
fragen, ob es so etwas wie ein unerwünschtes Kind gibt, meine ich aus
psychoanalytischer Sicht.
Ist es
möglich, ein Leben zu schaffen, ohne dass irgendwann, wenn auch nur minimal,
sogar verdreht, an einem Begehren teilgenommen wird?
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